1.- ...Er nahm Therese mit...
Er nahm
Therese mit, weil sie sich darüber freute. Es war die Premiere seines
ersten Stücks. Er sollte in der Loge sitzen und am Schluss auf die Bühne kommen
und sich mit den Schauspielern und dem Regiseur beklatschen oder ausbuhen
lassen.
Therese hatte das Stück nicht gelesen und freute sich
unbefangen über seinen Erfolg.
Danach gingen sie beschwingt zurück ins Hotel. Er
bestellte eine halbe Flasche Champagner, sie setzten sich im Pyjama aufs Sofa,
und er liess den Korken knallen...
Als der Champagner zu Ende war, gingen sie ins Bett und
drehten einander nach einem flüchtigen Kuss den Rücken zu.
Am nächsten Tag besuchten sie in Baden-Baden die
Kunsthalle, machten bei einem Winzer halt und gingen in Heidelberg aufs
Schloss.
Nichts, wie er am Abend zu Hause feststellte. Seine
Freundin Anne hatte ihm keine Nachricht hinterlassen.
Er rief sie an. Es tue ihm leid, dass er sie am Abend
nicht aus den Hotel habe anrufen können.
.- ...Du hast
mir gefehlt...
.- ...Du mir
auch.
.- Wann kommst
du?
.- Ich versuche
am übernächsten Wochenende zu kommen.
.- Du klingst
anders...
.- Anders?
.- Anders als
sonst. Was stimmt nicht?
.- Alles
stimmt..!
2.- ...sie blieb
misstrauisch...
Er hatte ein schlechtes Gewisen. Er hatte Anne angelogen,
und war froh , dass das Telefongespräch mit ihr vorbei war. Was er Anne
verschwieg , musste er ihr verschweigen, weil sie darauf übertrieben
eifersüchtig reagieren würde.
Anne hatte in Amsterdam eine Wohnung und einen
Lehrauftrag, von dem sie nicht leben, den sie aber jederzeit ruhen lassen
konnte, um in England oder Amerika oder Kanada oder Australien oder Neuseeland
zu unterrichten. Ein gutes Drittel des Jahres verbrachten sie gemeinsam.
Für den Rest des Jahres war Annes Leben unstet. Sie war
eine entschlossen zupackende Frau, und als er sie das erste Mal sah, sah er
diesen Gesicht mit den vielen Sommersprossen und das rotblonde Haar und mochte
sie sofort. Sosehr sie sich nach einander sehnten, so schön sie es miteinander
hatten –sie hatten zerstörerische Auseinandersetzungen, aber die Wunden der
Auseinandersetzungen heilten rascher als die Schmerzen der Sehnsucht.
Er flog am Freitag. Das College hatte Anne eine kleine,
zweistöckige Wohnung in Oxford überlassen. Er hatte einen Schlüssel, schloss
auf, ging hinein und fand sie am Schreibtisch. Eine halbe Stunde später machten
sie einen Spaziergang.
Lange redete keiner von beiden. Dann fragte Anne: Mit wem
warst du in Baden-Baden?
.- Wie kommst du
darauf dass ich ...
.- Warum hast du
mir nicht gesagt, dass du in Brenner’s Park Hotel abgestiegen bist?
.- Ich habe es
vergessen...
.- Warum lügst
du mich an?
.- Ich lüge dich
nicht an.
.- ...
Aber sie blieb misstrauisch...
In der Wohnung, mitten in der Nacht wachte er von Annes
Weinen auf.
.- ... Anne ...
.- Ich muss die
Wahrheit wissen, immer. Ich kann nicht mit Lügen leben. Mein Vater hat meine
Mutter belogen, und er hat sie betrogen, und er hat meinem Bruder und mir
Versprechungen über Versprechungen gemacht, die er nicht gehalten hat. Wenn ich
ihn gefragt habe, warum, wurde er wütend und hat mich angeschrien. Meine ganze
Kindheit hatte ich keinen sicheren Boden unter den Füssen...
.- Es ist alles
gut, Anne. Ich verstehe dich. Du musst nicht mehr weinen. Ich verspreche dir,
die Wahrheit zu sagen.
3.- ...ich möchte
ein Kind...
Drei Wochen später fuhren sie in die Provence. In Cucuron
fanden sie am Markplatz ein billiges, altes Hotel.
In einem Nachmittag sassen sie auf der Loggia, die
Laptops vor sich und sie sagte:
.- ... Ich möchte
ein Kind ...
Er stand auf, ging zu ihr, hockte sich neben ihren Stuhl
und lächelte sie an:
.- Das lässt sich
machen.
Ein paar Tage später gingen sie am Nachmittag ins Bett
und liebten sich und schliefen ein. Als er aufwachte, war Anne weg. Auf einem
Zettel las er, dass sie losgefahren war und in Aix in der Bibliothek nach ihren
E-Mails sah. Das war um vier. Um acht war er besorgt. Um neun hielt er es in
der Wohnung nicht mehr aus und ging zum Dorfteich, an dem sie ihr Auto parkten.
Es stand, wo es immer stand. Er sah sich um und sah Anne;
sie sass an einem Tisch vor der Bar de l’Étang.
.- Was ist los?
Ich habe mir Sorgen gemacht.
.- Du warst mit
Therese in Baden-Baden. Ich habe deine E-Mails gelesen. Die Bestellung des
Doppelzimmers. Die Verabredung mit Therese. Den Gruss danach...
.- Du hast in
meinen E-Mails spioniert?
.- Du bist ein
Lügner, ein Betrüger.. Warum hast du mit ihr geschlafen?
.- Ich habe
nicht mit ihr geschlafen.
.- Du Schwätzer,
du Ficker, du Dreck, du...
.- Kann ich was
sagen?
.- Du Dreck, du
Arsch, du Nichts..!
.- Es tut mir
leid.
.- Fick dich
selbst mit deinen Lügen! Sie stand auf und ging.
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Das ist das Ende des ersten Teils der Zusammenfassung
über „Die Nacht in Baden-Baden“ ( Sommerlügen von Bernhard Schlink, Geschichten, Diogenes Verlag AG Zürich 2012)
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